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  • Olaf Preuß, Die Welt

Wie autonome Mobilität Städten helfen soll


 

English summary: "How Autonomous Mobility is Supposed to Help Cities"


 

In Ballungsräumen wird nicht nur der Parkraum immer knapper, auch der Klimaschutz erhöht den Druck auf Autos und andere Verkehrsmittel. Ob auf Straße oder Schiene – drei Beispiele, was selbststeuernde Fahrzeuge dem Großstadtverkehr bringen können.


Die Mobilität vor allem in Ballungsräumen wie der Metropolregion Hamburg dürfte sich schnell und fundamental verändern – jedenfalls war das die Kernaussage des ITS-Weltkongresses in der zurückliegenden Woche. Dutzende Aussteller und Unternehmen präsentierten hier vielfach bereits alltagstaugliche Technologien, Konzepte und Systeme.


Vor allem auf das Automobil wird der Druck weiter steigen, nicht nur wegen des Klimaschutzes, sondern auch wegen des Bedarfs an Parkraum für Fahrzeuge, die zumeist ungenutzt stehen. Welche Systeme bieten Entlastung für den städtischen Verkehr – und schaffen zugleich mehr Freiheit für die Bürger, ihre Fortbewegung weiterhin selbst zu wählen? WELT AM SONNTAG hat sich die Messeprojekte genauer angesehen.



Das Auto parkt selbsttätig ein


Der weiße Ford Kuga mit Elektroantrieb fährt akkurat in die untere Ebene des Parkhauses hinein, in einer Kurve nur wenige Zentimeter von einer Betonwand entfernt. Der Fahrer hat die Hände auf dem Schoß. Am Standplatz angekommen, parkt der Wagen selbsttätig ein. Noch ist es nur eine Demonstration, in wenigen Jahren dürfte diese Art, ganz kurze Strecken zu fahren, Alltag sein – auch ganz ohne Fahrer.


Mit der Vorführung im Parkhaus unter der Elbphilharmonie zeigt das Unternehmen Kopernikus Automotive aus Leipzig die sogenannte AVP-2-Technologie. Das Fahrzeug ist in dieser Variante des autonomen Fahrens vor allem der Empfänger digitaler Befehle. Umgesetzt werden sie von einem Fahrassistenz-System im Wagen. Im Parkhaus sind dafür etliche Kameras und Sender installiert. „Moderne Fahrzeuge werden künftig mit Fahrassistenz-Systemen ausgestattet sein, mit denen sie zumindest über kurze Distanzen durch AVP 2 problemlos selbst fahren können, von außen digital angesteuert und geleitet“, sagt Stefan Jenzowsky, Gründer und Chef von Kopernikus Automotive. „Wir arbeiten in einem Parkhaus wie hier in der Elbphilharmonie mit handelsüblicher WLAN-Technologie.“ Im Kofferraum des Autos ist lediglich eine kleine Empfängerbox montiert. Kopernikus Automotive hat die Demonstrationsfahrten gemeinsam mit dem Parkhausbetreiber Apcoa und mit der TU Braunschweig organisiert.


Eine andere Spielart des autonomen Fahrens führt in der Elbphilharmonie Marcel Kascha vom Institute of Automotive Engineering der TU Braunschweig vor. Sein Testfahrzeug, ein schwarzer VW Passat B8 mit Benzinmotor, parkt ebenso präzise ein wie der Ford von Kopernikus Automotive. Doch bei dieser, der sogenannten AVP-1-Technologie, trägt das Fahrzeug wesentlich mehr Sensorik mit sich herum.


Das Auto erkennt seine Umgebung anhand eines eingespeicherten digitalen Raum- und Wegeplans. „Beide Technologien werden künftig in Serie gehen, aber AVP 2 eher als AVP 1, weil diese Variante günstiger und weniger komplex ist“, sagt Kascha. Das sieht auch Jenzowsky so: „AVP 2 wird bereits in Serienfahrzeugen installiert, etwa in der S-Klasse oder dem EQS von Mercedes“, sagt er. „Man kann AVP 2 auch außerhalb geschlossener Räume einsetzen, sei es auf Werksgeländen, bei der Verladung von Pkw auf Schiffe oder zum Ein- und Ausparken an Flughäfen oder Bahnhöfen.“



Der Mietwagen wird ferngesteuert


Eine Variante der autonomen Mobilität ist das „Telefahren“, das Bewegen von Autos per Fernsteuerung. Zertifizierte Telefahrer bringen ein Automobil mithilfe von Fahrassistenz-Systemen zu einem bestimmten Ort oder holen es von dort ab, zwischendurch nutzt es zum Beispiel ein Kunde. Das ist das Geschäftsmodell des Technologieunternehmens Vay mit Sitz in Berlin und Hamburg.


Anjes Tjarks (Grüne), Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende, stellte das Konzept gemeinsam mit Vay vor. Das Unternehmen arbeitet derzeit mit der Stadtverwaltung an der Zulassung, um vom kommenden Jahr an Carsharing-Fahrzeuge ferngesteuert, ohne begleitende Fahrer zu den Kunden zu bringen und es von dort wieder abzuholen. „Die elektrische Carsharing-Flotte erschließt in der äußeren Stadt Gebiete, die vom ÖPNV noch nicht vollends erschlossen sind, bietet dadurch eine bequeme, schnelle Alternative zum eigenen Auto“, sagt Tjarks. Das verringere den Straßenverkehr und die Lärm- und CO2-Emissionen: „Ziel ist es, das Angebot in den Hamburger Verkehrsverbund zu integrieren.“ Vay wolle mit seinem Angebot in Bergedorf starten, sagte Unternehmensgründer Thomas von der Ohe. Auch er glaubt an eine Ergänzung zum ÖPNV, etwa für den Weg zum Arbeitsplatz in den Außenbezirken: „Wir sehen das Potenzial.“



Die digitale S-Bahn fährt effizienter


Um ihren Arbeitsplatz muss sich Valeska Hoop vermutlich keine Sorgen machen – obwohl die Lokführerin, die laut der Veranstalter „Weltpremiere“ der ersten digitalen S-Bahn vorführte. Auch in den autonom fahrenden Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn werden künftig noch Fahrer sitzen, um das System zu überwachen. Nur Anfahren und Bremsen, Türen öffnen und schließen werden sie nicht mehr. Bis Anfang der 2030er-Jahre will die Deutsche Bahn alle Züge und Strecken in und um Hamburg für das digitale Fahren ausrüsten, insgesamt 800 Millionen Euro sollen dafür investiert werden.


Um die Einsparung von Personal gehe es dabei nicht, sagte jedenfalls Bahnchef Richard Lutz bei der Premierenfahrt – sondern darum, 30 Prozent an Energie einzusparen, ein Drittel mehr Passagiere je Tag zu befördern, und das alles auch noch „15 Prozent pünktlicher“ als heutzutage.





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