English summary: "The Most Expensive Remote Controlled Car in The World"
In Ludwigsburg hat ein Start-up gemeinsam mit Porsche autonomes Fahren in der Werkstatt erprobt. Ein Besuch zeigt: Die Technologie funktioniert. Die Vorteile für die Hersteller liegen auf der Hand - aber was haben Autofahrer davon?
Kurz scheint sich der Sportwagen noch zu sträuben, dann zuckelt er los. Nicht, wie man es von einem PS-Ungetüm erwarten würde, sondern eher langsam, fast vorsichtig bahnt sich der Porsche seinen Weg über den Hof. Dass er so gemächlich unterwegs ist, am Tor zweimal die Richtung korrigiert, bevor er in Schrittgeschwindigkeit in die Werkstatt rollt, hat einen Grund: Der Sportwagen fährt von selbst. Wobei von fahren kaum die Rede sein kann, vielleicht noch von rangieren. Auf dem Werksgelände im Tammerfeld in Ludwigsburg kann man einen Eindruck davon bekommen, wie schwer die Aufgabe ist, einem Auto beizubringen, selbst zu fahren - und sei es nur vom Parkplatz bis auf die Hebebühne.
„Das ist ein bisschen wie bei einem Staubsauger," sagt Alexander Haas, Projektleiter bei Porsche, mit einem Tablet in der Hand, mit dem er dem Cayenne den Befehl geben kann, loszufahren. Manchmal fahre sich der Staubsaugerroboter fest, in aller Regel findet er aber einen Weg aus der verzwickten Lage, sagt Haas. So ist es beim Cayenne auch.
Das Start-up Korpernikus Automotive hat an der Aufgabe „autonomes Fahren in der Werkstatt" seit dem Jahr 2017 getüftelt - und nun, nach einjährigem Feldversuch in Ludwigsburg gezeigt, dass es funktioniert. Wobei die Leipziger das Pferd quasi von hinten aufgezäumt haben. Das Auto fährt nicht selbstständig, eine Künstliche Intelligenz (KI) steuert es. Die KI, das ist ein ziemlich unscheinbarer Computer, der in einem Räumchen neben der Werkstatt steht. Von einem handelsüblichen Fabrikat unterscheidet er sich kaum, Rechenleistung und Grafikkarte entsprechen der eines modernen PCs. Mit seiner Hilfe hat das Team von Kopernikus-Mitgründer und Geschäftsführer Stefan Jenzowsky aus dem hybridbetriebenen Cayenne das teuerste ferngesteuerte Auto der Welt gemacht.
Ein virtuelles Modell aus 5000 Fotos
Bis der über 500 PS starke Bolide die rund 30 Meter unfallfrei zurücklegen konnte, waren unzählige Testfahrten nötig - virtuell spulte die Künstliche Intelligenz rund eine Million Kilometer ab. So lernte die KI immer mehr dazu. Dabei griff sie auch auf Telemetriedaten des Fahrzeugs zurück, um beispielsweise herauszufinden, wie stark das Fahrzeug beschleunigen muss, um es über die kleine Steigung vor der Werkstatt zu schaffen. Zu Beginn des Projekts hatten die Ingenieure einen virtuellen Zwilling der Werkstatt aus circa 5000 Handyfotos erstellt, sozusagen die Teststrecke. Auf der wurde der Computer - die Experten sprechen von neuronalen Netzen - ein halbes Jahr trainiert. Die KI musste mithilfe von zwölf fest installierten Kameras - auf dem Hof und in der Werkstatt - lernen, das Fahrzeug zu lokalisieren, sich zu orientieren und andere Objekte, wie zum Beispiel Autos oder Menschen, die sich bewegen, zu erkennen. Den Entwicklern ist es wichtig herauszustellen, dass die Fahrten nicht programmiert werden, sondern der Fahrweg je nach Situation dynamisch angepasst wird. Für den Computer sind Menschen und alle anderen Objekte nichts anderes als Vierecke, genauso wie das zu steuernde Fahrzeug. Wenn man es so sehe, sei „Autofahren dann nicht mehr, als zu verhindern, dass die verschieden großen Rechtecke zusammenstoßen", sagt Stefan Jenzowsky. Was sich so banal anhört, ist in Wirklichkeit natürlich extrem kompliziert, aber relativ erschwinglich. Schon das macht die Idee für die Vertragswerkstätten attraktiv.
„Der Servicemitarbeiter kann sich zum Beispiel das richtige Werkzeug zurecht legen, während das Auto von selbst in die Werkstatt fährt", sagt Alexander Hass. Zwar ist der Zeitgewinn bei einem einzigen Auto relativ, bei hunderttausend Reparaturen im Jahr in den Porsche-Werkstätten aber bedeutet er bares Geld. Der Mitarbeiter müsse zum Beispiel auch bei regnerischem Wetter nicht mehr über den Hof laufen, so Haas. Davon versprechen sich die Zuffenhäuser weniger Reklamationen bei Werkstätten oder Händlern wegen verschmutzter Autoinnenräume. Das Besondere an dem Projekt, so Stefan Jenzowsky, sei, dass die Technik mit heutigen Autos funktioniere - zwar längst nicht mit allen, aber mit erstaunlich vielen. Die KI kann das Auto (fern-) steuern, wenn Gas und Bremse elektronisch funktionieren, das Auto ein Automatikgetriebe sowie eine WLAN-Schnittstelle zur Übertragung der Daten hat. Weitere Technik wie zum Beispiel ein Fahrassistenzsystem ist nicht notwendig.
Gedanken darüber, wie man die Idee auch anderweitig einsetzen könnte, haben sich die Verantwortlichen natürlich auch gemacht. Da man bereits viele Daten gesammelt habe, die die KI nutzen kann, sei das Konzept „leicht skalierbar." Was so viel heißt wie: Es funktioniert theoretisch nicht nur in Werkstätten, sondern auch anderswo. Vorausgesetzt, die KI weiß, wie die Umgebung aussieht.
Parken ohne Parkplatzsuche
Denkbar ist zum Beispiel, Autos, die in der Fabrik vom Band rollen, selbstständig auf den Parkplatz fahren zu lassen, auf dem sie stehen, bis sie verschickt oder abgeholt werden. Bislang beschäftigen Autobauer dafür Tausende Mitarbeiter. Die Autos könnten sich anschließend auch selbst auf Züge oder in Container verladen - ein weiterer Kostenfaktor, der wegfallen würde. Die Kamerabilder, mit denen die Fahrzeuge bislang bis auf zehn Zentimeter exakt manövriert werden können, würden auf so engem Raum nicht mehr genügen. Aber mit Lasertechnik würde es funktionieren, sagt Jenzowsky. Er hat keine Angst, dass sich die Idee bald selbst überholt, wenn eine neue Generation Autos auf den Markt kommt, die mit so viel Rechenleistung ausgestattet sind, dass sie die Aufgabe selbst übernehmen können. „Das dauert bestimmt noch ein bisschen."
Die Verantwortlichen bei Porsche haben sich zum Ziel gesetzt, die Technik in den kommenden fünf bis sechs Jahren so weiterzuentwickeln, dass sie angewendet werden kann. Dazu müssen Sicherheit und Stabilität des Systems noch verbessert werden. Tatsächlich könnten dann nicht nur die Autobauer selbst, sondern auch Autofahrer von ihm profitieren.
Ein Beispiel sind Parkhäuser: Wer etwa auf dem Weg zum Flughafen spät dran ist, könnte sich zumindest die Zeit für die Suche nach einem freien Stellplatz fürs Auto sparen. Das übernimmt dann die Künstliche Intelligenz.
Dass Stefan Jenzowsky und seine Mitarbeiter ihre Idee gerade bei Porsche verwirklichen durften, hat den CEO am Anfang selbst überrascht. Beim Sportwagenbauer aus Zuffenhausen gehört die sogenannte Driver Experience, also das emotionale Erlebnis beim Fahren, seit jeher zum Markenkern. Nach dieser Maxime baut die Marke mit dem Pferdchen im Logo Autos. Dem Fahrer das Lenkrad sozusagen aus der Hand zu nehmen passt deshalb zu Porsche so gut wie eine ausgelaufene Batterie in den Biomüll.
Das Beispiel in Ludwigsburg zeigt aber, dass die Autobauer durchaus die Zeichen der Zeit erkannt haben. Es dürfte ihnen aber auch vor Augen geführt haben, wie lange es noch brauchen wird, ehe Autos auch auf der Straße alleine fahren. Stefan Jenzowsky verweist in die USA und China. Dort sei das Klima für Start-ups, die sich mit autonomen Fahren beschäftigen, sehr viel besser.
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